Im Rahmen eines Business Excellence Assessments gemäss EFQM-Modell konnte ich als Assessor in einem internationalen Team während mehrerer Tage eine vertiefte Innensicht eines grösseren Petrochemie-Unternehmens im Iran gewinnen.

Die Sprache und Schrift, die Kultur und auch die Umgebung waren für uns Assessoren jenseits der Routine und so schärft man als Beobachter alle Sinne noch viel mehr. So viele neue Eindrücke und Erkenntnisse! Doch viele davon lassen sich mühelos auf unsere westliche Geschäftswelt übertragen:

Gemeinsame Werte ermöglichen die Zusammenarbeit

Da kommt ein Assessoren-Team aus sechs Nationen erstmals zusammen und erbringt aus dem Stand in ungewohnter Umgebung eine Leistung, welche kritischer Beobachtung standhält. Zwei Faktoren machten dies möglich:
Zum einen definiert das EFQM-Modell eine gemeinsame Sprache und eine verlässliche Struktur; das schafft Verbindlichkeit und erleichtert die Orientierung.

Andererseits und genauso wichtig waren die gemeinsamen Werte, welche alle Teammitglieder mitbrachten: Absolute Transparenz, kritisieren ohne zu verletzen sowie das ausgesprochene Eigeninteresse, dem Kunden Impulse zur Verbesserung zu geben und auch selbst möglichst viel aus der ungewohnten Konstellation zu lernen. Das dadurch geschaffene «Klima der Bescheidenheit» war ein wichtiger Erfolgsfaktor für die spontane und reibungslose Zusammenarbeit!

Investiere in gemeinsam gelebte Werte – diese fördern die Zusammenarbeit weit mehr als Incentives und Prozeduren!

Keine Täuschung durch Äusserlichkeiten

Im Iran müssen allen Frauen ein Kopftuch tragen – so will es das Gesetz. Im Geschäftsleben ist es zudem üblich, dass die Frauen formelle Kleider in den Farben Schwarz oder allenfalls Dunkelgrün tragen. Für mich entstand so zunächst ein eher tristes Bild: zugeknöpft, farblos, uniform und uninspiriert. Doch dieser erste äussere Eindruck hat sich oft als Täuschung herausgestellt. Im Gespräch erkennt man schnell die oft gute Ausbildung und den Ideenreichtum, aber auch die sprühende Energie dieser Frauen und wie sie ihre Arbeitsumgebung positiv beeinflussen.

Achte auf die wahren Werte und lass dich nicht von Äusserlichkeiten ablenken – weder positiv noch negativ.

Organisations-Silos gibt es überall und sie stören überall

Klar, in einem Chemie-Unternehmen braucht es verschiedene Silos, denn diese werden für die Produktionsprozesse benötigt.
Die Organisations-Silos hingegen – das sind die unsichtbaren Barrieren zwischen verschiedenen Organisationseinheiten – waren auch hier wahrnehmbar. Da gibt es offenbar weder kulturelle noch sprachliche Unterschiede.

Diese Silos haben auch die gleichen Auswirkungen wie z.B. verminderte Kundennähe, Reden statt Probleme lösen und Entscheiden, Abgrenzung statt Übernahme von Verantwortung. Im Iran durften wir Assessoren aber auch eine herzliche Gastfreundschaft erleben und hier war ermutigend zu sehen, dass bei sozialen Aktivitäten diese Silos rasch bedeutungslos werden…

Achte auf die subtilen Behinderungen durch organisatorische Silos und akzeptiere diese nicht als «naturgegeben».

Daten helfen – und paralysieren

Die Erhebung von Kennzahlen und Indikatoren ist unerlässlich für die kontinuierliche Verbesserung. Doch ich habe noch wenige Unternehmen gesehen, in denen sich so viele Leute mit «Zahlen» befassen, sei es als Ersteller oder als Empfänger. Wenn man sich zu stark auf die Messwerte konzentriert besteht die Gefahr, dass diese zum Selbstzweck verkommen. Das verhindert die Wahrnehmung von Chancen und begünstigt die Konzentration aufs eigene Silo. Das Interesse am «making the numbers» ist hoch und die eigentliche Absicht zur Entwicklung der Unternehmung gerät so ins Hintertreffen und. (Es ist wie beim Autofahren: Wir sind sicherer unterwegs, wenn wir auf die Strasse schauen statt ständig aufs Armaturenbrett.)

Konzentriere dich auf die ganzheitliche Entwicklung der Unternehmung – Kennzahlen sind lediglich Indikatoren und sollen regelmässig kritisch hinterfragt werden.

Dies sind einige Beispiele mit meinen Erkenntnissen aus dem Iran. Nutze vermehrt das Potential der kreativen Stimulierung durch ungewohnte Umgebungen – es schärft unsere Sinne und hilft Bestehendes zu verankern und Neues zu entdecken!

Beat Fraefel