Die meisten Menschen fühlen sich wohler, wenn sie «Herr der Lage» sind und Situationen oder Vorgänge unter Kontrolle haben. Dies gibt ein Gefühl von Sicherheit, führt aber manchmal zu einem Abwehrreflex gegenüber Veränderungen. Von Führungskräften wird in erhöhtem Masse erwartet, alles im Griff zu haben: vorausschauen, planen, entscheiden und kontrollieren.

Planung und Kontrolle sind notwendig und limitierend zugleich

Planung und Kontrolle im Unternehmen werden generell als best practice angesehen. In der Praxis müssen wir jedoch ernüchtert feststellen, dass dies immer weniger funktioniert. Grund dafür sind neue Herausforderungen, mit denen Unternehmungen konfrontiert sind:

  • Neue Technologien schaffen in kurzer Zeit ungeahnte Möglichkeiten. Viele Situationen sind mittlerweile so komplex, dass eine einzelne Person nicht mehr allein den Überblick haben kann.
  • Relevante Impulse entstehen an der Peripherie des Unternehmens, doch von hier ist häufig ein weiter Weg zu Entscheidungsträgern. Und die Dinge bewegen sich immer schneller – wo früher noch Zeit für eine umfassende Analyse war, verändern sich Situationen und Rahmenbedingungen noch während der Analysephase.
  • Die heute 20-35-Jährigen «Millennials» verlangen nach Sinn und Mitsprache bei der Arbeit, um ihr Leistungspotential zu entfalten. Als hervorragend ausgebildete Fachleute sind sie die wahren Spezialisten. Sie suchen starke Mentoren, und sie lehnen traditionelle Hierarchien ab.

Die umsichtige Planung und Kontrolle hat sich zwar lange Zeit bewährt, doch wer immer alles im Griff hat, wird leicht auch zum Flaschenhals für das eigene Unternehmen.

Führung mit kontrollierten Experimenten

Dies ist kein Plädoyer, die Führung aufzugeben – doch sie muss erneuert werden, um mehr unternehmerische Beweglichkeit und Innovation zu ermöglichen! Dabei können wir von Sportlern und Wissenschaftlern lernen: Sie suchen unbeirrbar den Erfolg, doch sie haben auch die Bereitschaft zum Scheitern. Sie wissen, dass nur so Spitzenleistungen möglich sind.

Als Führungskraft ist es immer weniger möglich, «das Richtige vorherzusehen». Vielmehr braucht es die Fähigkeit und Bereitschaft für den Umgang mit neuen Situationen oder gar mit dem Unvorhersehbaren. Statt Planung und Kontrolle ist es notwendiger, out of the boxzu denken und handeln. Kontrollierte Experimente ermöglichen eine Balance bewusstem Eingehen von Risiken und partieller Kontrolle – diese können zwar schiefgehen, doch es entsteht kein untragbarer Schaden.

Kontrollierte Experimente sind mit wenigen Schritten zu erreichen:

  1. Weniger Pläne erstellen und abarbeiten, sondern mehr einer gemeinsam getragenen Vision folgen.
  2. Ermächtigung und Motivation von Mitarbeitenden, unkompliziert etwas Neues zu versuchen – trotz unsicherer Faktenlage.
  3. Scheitern ist explizit erlaubt, doch ein Misserfolg muss für Mensch und Unternehmung tragbar sein. 
    In Holacracy lautet die Kernfrage: Is it safe enough to try?
  4. Transparenz über Erfolg und Misserfolg ist unabdingbar: Nur so wird ein Scheitern zur Lernsituation für alle Beteiligten.
  5. Erfolge rasch nutzen und weiter ausbauen – aus Misserfolgen lernen und korrigieren.
  6. Wiederholen Sie 1-5

Übung macht den Meister und nimmt das Unbehagen

Die bevorstehende Ferienzeit ist ein dankbares Lernfeld für kontrollierte Experimente an Stelle von Planung und Kontrolle! Nutzen Sie die unbeschwerte Zeit, um jeden Tag gezielt ein kontrolliertes Experiment zu machen. Erfahren Sie, welche Entwicklungen und Erkenntnisse möglich sind, wenn Sie die Kontrolle zumindest teilweise aufgeben.

Wir wünschen Ihnen eine erholsame und experimentierfreudige Ferienzeit!