Die Erkenntnisse aus eigenen und fremden Fehlern sind effektive und praxisorientierte Lernfelder. Doch diese Binsenwahrheit scheint in der Projektarbeit nicht richtig zu gelten, denn viele Projekte in Unternehmungen und Verwaltungen liefern nicht die erwarteten Resultate. Der „Chaos Report“ der Standish Group zeigt die ein wenig schmeichelhaftes Bild:

16% erfolgreich: Das Projekt wurde pünktlich unter Einhaltung der Kosten und mit allen Ergebnissen gemäss ursprünglichem Auftrag abgeschlossen.

53% durchzogen: Das Projekt wurde zwar fertig gestellt, doch Zeit und/oder Kosten sind überschritten und es wurden nicht alle erwarteten Ergebnisse umgesetzt.

31% gescheitert: Das Vorhaben wurde gestoppt. Viele Projekte werden danach neu gestartet – z.T. sogar mehrfach!

Was sind denn die Gründe für enttäuschte Auftraggeber und Projektteams und was verhindert, dass hier die entsprechenden Lehren für künftige bessere Projekte gezogen werden?

Erfolg und Misserfolg – es sind dieselben Einflussfaktoren

Die Standish Group hat die Ursachen eruiert, welche den Projekterfolg begünstigen bzw. für den Misserfolg verantwortlich sind. In erster Näherung sind dies die selben Erfolgsfaktoren – fehlen diese, ist ein Projekt mit hoher Wahrscheinlichkeit zum Scheitern verurteilt:

  • Gute Kommunikation
  • Regelmässiger und direkter Einbezug der direkt betroffenen Personen (z.B. künftige Benutzer, Verkauf)
  • Unterstützung durch das Executive Management
  • Qualifizierte Mitarbeitende
  • verständlich formulierte Ziele an das Projekt und davon abgeleitet klare Anforderungen

Diese Erkenntnisse werden auch weitgehend durch eine Studie der GPM – Deutsche Gesellschaft für Projektmanagement bestätigt. Es mag vielleicht erstaunen, dass Projektmethodik oder Planung nicht als wesentliche Einflussfaktoren genannt werden. Offensichtlich sind dies „Hygienefaktoren“, welche einfach erfüllt sein müssen, doch sie sind nicht per se die Ursache für Erfolg oder Misserfolg.

Wege zum Projekterfolg

Diese Erkenntnisse legen nahe, dass es eigentlich nur zwei wesentliche Voraussetzungen für erfolgreiche Projekte gibt:

It’s all about people!

Projektarbeit ist Führungsarbeit unter erschwerten Bedingungen, da die Zusammenarbeit ausserhalb der gewohnten Linienorganisation und der bewährten Abläufe erfolgt. Dazu kommen noch Rollen- und Prioritätskonflikte, da die Projektarbeit häufig parallel zum Tagesgeschäft erfolgen muss.

Für erfolgreiche Projekte sind deshalb fähige Führungskräfte, qualifizierte Mitarbeitende und gute Kommunikation auf allen Ebenen unabdingbar.

Diese Kompetenzen sind jedoch nicht «einfach so» zu erlangen. Es gilt viel mehr, die Voraussetzungen dafür zu schaffen, damit diese kontinuierlich weiter entwickelt werden.

  • Sorgfältige Auswahl bzw. Entwicklung von Führungskräften in Linie und Projektleitung, welche nicht primär auf hoher Fachkompetenz beruht, sondern vielmehr auf herausragenden zwischenmenschlichen Kompetenzen;
  • Transparenz und ehrliche Kommunikation als zentrale Werte;
  • Verantwortungskultur statt Aufgabenkultur: Die Mitarbeitenden sollen befähigt werden, eigenverantwortlich und mit hoher Autonomie ein Problem ganzheitlich zu lösen – das bedeutet einiges mehr, als «nur die zugewiesenen Aufgaben richtig abzuarbeiten».

Klarheit über Anforderungen – auch wenn diese ändern!

Eine präzise Spezifikation von Anforderungen und Zielen ist nur dann möglich, wenn diese auch wirklich klar definierbar und die Randbedingungen stabil sind. Dies ist jedoch immer weniger der Fall, denn Randbedingungen und Anforderungen ändern sich häufiger und schneller. 

Bei vielen Organisationen – v.a. bei der öffentlichen Hand – kommen die Forderungen nach noch genaueren Anforderungskatalogen und nach noch mehr Kontrolle. Das ist zwar gut gemeint, doch ein Schritt in die falsche Richtung. (Versuchen Sie einmal, Ihr nächstes Auto genau zu spezifizieren – hätten Sie den Mut, dieses ohne Probefahrt gemäss Ihrer Spezifikation zu bestellen?) 

Um mit dem Dilemma zwischen „präzisen Anforderungen“ und Unsicherheit bzw. häufigen Änderungen umzugehen, haben sich folgende Ansätze bewährt:

  • Nach einer groben Spezifikation liefert das Projektteam rasch und in kurzen Abständen immer wieder (Teil-)Resultate, welche mit den Benutzern intensiv diskutiert werden.
  • Häufige Änderungen sind als Teil einer neuen Normalität zu verstehen und man muss lernen, damit besser umzugehen. Was sich nicht bewährt, wird geändert oder sogar wieder ganz entfernt.
  • Ein Projekt ist nicht mehr dann fertig, wenn „alle Punkte abgearbeitet“ wurden, sondern wenn „das Resultat genügend gut“ ist. Eine Optimierung ist zwar immer möglich, doch häufig gilt auch hier die 80/20-Regel.
  • Damit ein solchermassen geführtes Projekt dennoch geordnet abläuft, sind angepasste Methoden und Steuerungsmechanismen unerlässlich. Dies kann Kanban, Scrum, Agile Hermes oder eine Kombination davon sein – wichtig ist, dass alle Beteiligten dieselbe Methode kennen und anwenden.

Voraussetzungen für bessere Projekte schaffen!

Die besten Voraussetzungen für den Projekterfolg sind Menschen mit Leadership und Eigenverantwortung sowie Anforderungen, welche gerade bei Unsicherheit oder Änderungen ehrlich geklärt werden. Diese Voraussetzungen lassen sich nicht verordnen, sie müssen vielmehr über einen längeren Zeitraum entwickelt werden. Dieser Weg manchmal auch hart und steinig, doch es ist wie bei einer Bergtour: Oben angekommen, geniesst man mit Stolz das Erreichte. Gerne werden wir Sie als Bergführer auf diesem Weg begleiten, sei es als Navigator, Coach oder Experte.

Quick-Win für Führungskräfte

Dennoch gibt es eine Sofortmassnahme, mit welcher Führungskräfte die Voraussetzungen für den Projekterfolg rasch verbessern können: Verzichten Sie für drei Monate auf ein schriftliches Projektreporting – stattdessen reden Sie alle zwei Wochen mit Ihren Projektverantwortlichen! Finden Sie heraus, wie es dem Projekt wirklich geht, wo Bedenken und wo Optimierungspotenziale bestehen. Sie werden erstaunt sein, mit welch geringem Aufwand Sie wichtige Erkenntnisse über Risiken und mögliche Massnahmen gewinnen. Ziehen Sie nach drei Monaten Bilanz und entscheiden Sie, ob Sie denn wirklich wieder zu den schriftlichen Reports zurückkehren wollen oder ob diese «ungenaue Methode» doch die besseren Resultate liefert.